Selbsthilfe der von Krankheit Betroffenen

Die Selbsthilfe als eigenständiges Angebot für psychisch erkrankte Menschen hat sich, einem allgemeinen Trend in der Medizin folgend, auch im Feld der Psychiatrie entwickelt. 

Selbsthilfegruppen für Menschen mit Angsterkrankungen, Depressionen und Essstörungen haben sich breit etabliert. Im Bereich von Suchterkrankungen besteht eine lange und gefestigte Tradition. Die weltweit wirksamen Alcoholics-Anonymous (AA) Programme sind ein bekanntes Beispiel dafür. AA besteht seit 1935 und hat heute schätzungsweise 2.000.000 Mitglieder in 100.000 Selbsthilfegruppen in 150 Ländern. Eine neuere Entwicklung ist die Entstehung von Selbsthilfepotential auch im Bereich der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis und der bipolaren Störungen.

Das Potential der Selbsthilfe ergibt sich aus:

  • Solidarität
  • Erfahrungsaustausch
  • Informationsbereitstellung
  • Soziale Kontakte
  • Konkrete gegenseitige Hilfe
  • Selbstvertrauen
  • Interessensvertretung

Rosa Geislinger stellt in ihrem Beitrag in dem 2007 im Psychiatrie-Verlag erschienenen Buch „Selbstbefähigung fördern – Empowerment und psychiatrische Arbeit“ (Hrsg. A. Knuf, M. Osterfeld und U. Seibert) Forschungsergebnisse zu „selbsthilfespezifischen Ressourcen“ mit der Frage „Was hilft in der Selbsthilfe?“ vor und unterscheidet zwischen: 

durch Selbsthilfe aktivierte Ressourcen, die auch in der professionellen Hilfe eine entscheidende Rolle spielen, wie Gewinnung von Gesprächs- und Reflexionspartnern, Wissensvermittlung. Aneignung von Sinn, Erklärung der Krankheit und Identitätsmustern, Entwicklung von Bewertungskriterien, Zugang zu Ressourcen, Aktivierung von Bewältigungsstrategien

und

selbsthilfespezifische Ressourcen wie „bekennende Beratung“ (Berater und zu Beratende sind gleich betroffen), Erfahrungsaustausch, Entwicklung von Vergleichsmodellen, Bildung eines Ratgeberpools, positive Umwertung im Sinne einer kompensatorischen Kompetenz, Wahrnehmung von Rollenangeboten und Rollenwechsel

Selbsthilfe kann autonom stattfinden, also ohne professionelle Unterstützung. Selbsthilfe kann integriert konzipiert sein, also zusammen mit und mit Unterstützung durch ein professionelles System, wie z.B. die Selbsthilfegruppen von pro mente.

Die Gruppen können offen und allgemein definiert sein, z.B. Psychiatrie-Erfahrene, also Menschen, deren gemeinsame Erfahrung die psychiatrische Behandlung ist. Viele Selbsthilfegruppen finden sich auch diagnosespezifisch, wie z.B. Psychose-Erfahrene oder Selbsthilfegruppen für Erektionsstörungen oder problemspezifisch, wie die Stimmenhörerbewegung oder sie verfolgen ein bestimmtes Anliegen, wie z.B. das Verbot der Zwangsbehandlung in der Psychiatrie. 

Bundesverband Selbsthilfe Österreich: https://www.bundesverband-selbsthilfe.at